Den Unterschied zwischen Erwartung und Realität nennt man Enttäuschung. Und hinsichtlich dieses Romans wurde meine Erwartung leider nicht erfüllt.
Erzählt wird die Geschichte einer Kleinstadt in Kansas. Oder ist es die Geschichte von Angelina, die ihre Dissertation über die Bibliothek der Stadt schreiben will? Oder ist es die Geschichte von Traci, der Künstlerin, die für ein Jahr nach New Hope kommt, um dort Kunstprojekte zu realisieren und die Frauen und Jugendlichen der Stadt künstlerisch anzuleiten? Oder welche Geschichte erzählt uns die Autorin?
Genau das ist der Punkt, während des gesamten Romans wurde mir das nicht wirklich klar. Geschrieben ist er aus drei wechselnden Perspektiven. Zum einen der von Angelina, die in den Ort ihrer Geburt zurückkommt, vordergründig, um ihre Doktorarbeit zu vollenden. Deren Thema sind die von Andrew Carnegie zahlreich gespendeten öffentlichen Bibliotheken in amerikanischen Kleinstädten. Gleichzeitig folgt sie aber auch den Spuren ihrer Großmutter, die sich für die Gründung und den Erhalt der örtlichen Bibliothek schon vor einhundert Jahren einsetzte. Von Bedeutung sind hier besonders deren verschollene Tagebücher.
Die zweite Perspektive schildert die Ereignisse aus der Sicht von Traci. Sie ist eine verlorene junge Frau, einsam, mittel- und heimatlos, aber eine Künstlerin. Sie gestaltet aus Müll interessante Skulpturen. Der Kulturverein von New Hope hat sie engagiert, um das Kulturzentrum der Stadt zu fördern.
Ein weiterer Blickwinkel ist der von Gayle. Sie hat bei einem Tornado alles verloren, Haus und Heim und hadert daher jetzt auf das Heftigste mit ihrem Schicksal. Ihre Passagen in dem Roman sind sehr kurz und haben so gut wie keine Handlung. Warum ihr, die im Grunde nur eine Nebenfigur ist, eine eigene Perspektive zugestanden wurde, hat sich mir nicht erschlossen.
Fehlende Handlung gilt in annährend gleichem Maß auch für den Rest des Romans. Es geschieht nichts, es werden belanglose Konversationen geführt, Spannung kommt überhaupt nicht auf, es fehlt ein wirklicher roter Faden. Es gibt weder eine Entwicklung noch einen Höhepunkt. Beim Lesen wartete ich die ganze Zeit vergeblich darauf, dass endlich etwas spektakuläres passiert. Die Hauptfiguren sind nicht unsympathisch, aber blass und flach. An ihrem Schicksal nimmt man kaum Anteil, zumal die Hintergründe, ihre Geschichten, im Dunkeln bleiben.
Dadurch wird dieser Roman langweilig und zäh, alles bleibt oberflächlich und seicht. Dazu fehlt es an einem gelungenen Schreibstil, die Autorin erzählt, berichtet, aber sie lässt die Leserin nichts erleben, nichts fühlen. Alle drei Perspektiven sind in Ich-Form geschrieben, ohne dass sich die Ausdrucksweise groß unterscheidet, so dass die Figuren auch auf diese Weise keinen Tiefgang, kein Profil erhalten. Leider kann auch die Übersetzung nichts retten, die stilistisch ebenfalls einiges zu wünschen übriglässt.
Zu all dem kommen noch irritierende chronologische Unklarheiten, sind Jahreszahlen und Altersangaben nicht plausibel oder widersprechen sich gar.
Aufgrund von Klappentext und Ankündigung erwartet man einen Roman, der sich um Bücher dreht, um Gefühle für Bücher, um die Wirkung von Büchern. Doch Bücher kommen in diesem Roman eigentlich nicht vor. Schade.
Romalyn Tilghman – Die Bücherfrauen
aus dem Amerikanischen von Britt Somann-Jung
S. Fischer Verlag, Februar 2021
Gebundene Ausgabe, 384 Seiten, 22,00 €