Die Geschichte eines beeindruckenden Mannes, von ihm selbst erzählt
Allein schon das Wissen, dass er dieses Buch unter anderem im Gefängnis, in dem er schließlich sogar den Tod fand, schrieb, macht diese Biografie zu einem erschütternden Dokument. Es schildert das Leben eines faszinierenden Charakters, eines Mannes, der die Welt bewegte und um den die Welt trauert.
Das Buch beschreibt vor allem seinen Kampf gegen den Staat, gegen das System, gegen Korruption und Unterdrückung. Dabei ist es ihm wichtig, den Unterschied deutlich zu machen: Sein Kampf gilt nicht seinem Land, sondern dem Staat: „Ich liebe mein Land, aber ich hasse diesen Staat.“
Die Biografie ist in vier Abschnitte geteilt. Der erste, recht kurze Teil trägt den Titel „Dem Tode nahe“, worin er die Ereignisse beschreibt vor und nach dem Giftanschlag auf ihn 2020. Diesen Teil schrieb er während seiner anschließenden Genesung in Deutschland.
In Teil 2 mit dem Titel „Heranwachsen“ erzählt er von seiner Herkunft und seinem Werdegang, seiner Entwicklung zu einem überzeugten Aktivisten.
Der dritte Teil „Die Arbeit“ widmet sich seinem Kampf gegen den Staat, gegen Korruption und Unterdrückung, mit all den Mitteln, die ihm dieser Staat da noch lässt. Hier gibt Nawalny einen klaren Einblick in die anfangs noch subtilen, später immer drastischeren und offen aggressiven Methoden des Staates oder genauer Putins, die wachsende und stärker werdende Opposition im Land im Keim zu ersticken, mit dem Ziel, diese und insbesondere Nawalny zum Schweigen zu bringen. Er beschreibt, wie er ein Netzwerk schuf, das vor allem über die Sozialen Netzwerke kommuniziert, nachdem die freie Presse und freie Meinungsäußerung quasi ausgeschaltet bzw. unmöglich wurde.
Der vierte Teil schließlich beschreibt seine Jahre im Gefängnis nach seiner Rückkehr aus Deutschland, nach der Genesung von dem Giftanschlag. Unterteilt nach Jahren erlebt man seinen Alltag, die Grausamkeit, die Foltermethoden anhand seiner Tagebuchaufzeichnungen.
Dass er damals freiwillig nach Russland zurückkehrte, wohl wissend was ihn dort erwartete, konnten und können bis heute viele Menschen nicht verstehen. Das Buch gibt eine Antwort darauf: Für ihn als Anführer einer Opposition, einer Bewegung war es unverzichtbar, vor Ort, dort zu sein und dort eben diese Bewegung weiter zu führen, auch aus dem Gefängnis.
Bei der Lektüre ergibt sich ein zwiegespaltener Eindruck. Einmal der Aktivist auf der einen Seite, auf der anderen der Mensch, Ehemann, Vater und Freund. Es wird deutlich, dass er stets all diese Beziehungen seiner Arbeit, seiner Überzeugung, seinem Kampf für die Demokratie und gegen den korrupten Staat unterordnete.
Auch kommt immer wieder seine besondere Art von Ironie, sein unverkennbarer Humor zum Vorschein in dieser Biografie, sein Humor, der ihm oft die Kraft gab, nicht zu verzweifeln während seines täglichen Kampfes gegen die Provokationen einer kleinkarierten, korrupten Staatsgewalt.
Das Buch, sein Vermächtnis, sein Abschiedsbrief, erklärt nicht alles, was diesen ungewöhnlichen Mann, diesen besonderen Menschen ausgemacht hat, erklärt nicht jeden Widerspruch in seiner Entwicklung. Aber es wird bleiben, als Mahnung für die Freiheit, als Aufruf, seinen Kampf fortzuführen.
Seiner Frau ist die Veröffentlichung des Buches am Ende zu verdanken, einige Ergänzungen hat sie hinzugefügt, einige Kommentare.
Alexej Nawalny – Patriot
aus dem Englischen von Rita Gravert, Norbert Juraschitz und Karin Schuler
S. Fischer, Oktober 2024
Gebundene Ausgabe, 543 Seiten, 28,00 €