Was ist es, das diese Faszination ausmacht, mit der wir die sogenannten „Lost Places“ betrachten? Warum zieht es insbesondere Fotografen an diese verlorenen Orte? Wären fröhliche, bunte Szenerien nicht viel schönere Motive?
Die Antworten auf diese Fragen habe ich auch nicht. Faszinierend finde ich die an solchen verlassenen, teils verfallenen Objekten entstandenen Fotografien gleichwohl. Jasmin Seidel hat solche gelungenen Aufnahmen in diesem Band zusammenfasst, Aufnahmen, die sie an ganz unterschiedlichen Orten rund um den Bodensee gemacht hat.
So hat sie beispielsweise einen zerfallenden Bahnhof durch ihren Sucher betrachtet, eine Fabrik mit Villa oder einen Schießstand. Weitere Aufnahmen entstanden in einem alten verlassenen Gasthof oder einem kleinen Krankenhaus.
Das fesselnde Moment an diesen Fotos ist dieser Eindruck, dass die Bewohner nur gerade hinausgegangen sind. Da stehen noch die Teller auf dem Tisch, der Sessel am Fenster, so als würde der Mensch, der dort immer sitzt, gleich wiederkommen. Auf einem anderen Bild schaut man in einen geöffneten Geschirrschrank, vielleicht werden die Tassen und Teller ja gleich eingeräumt.
Auch außerhalb der Gebäude finden sich lohnenswerte Motive. Verrostete, verbeulte Autowracks, zugewachsen und kaum noch zu erkennen. Oder in einem Schuppen ein Mercedes, es wirkt, als wolle man damit gerade starten.
Teils sind diese in dunklen Braun- und Grautönen gehaltenen Fotos düster, wirken bedrohlich, mystisch, geheimnisvoll. Andere wieder machen nur traurig angesichts des Verfalls. So dass mir dann doch wieder die Frage in den Sinn kommt, was uns an diesen Motiven so fasziniert.
Interessant sind auch die im Vorwort von der Fotografin aufgeführten Regeln, die sie sich selbst gesetzt hat für ihre Arbeit und die sie eisern und konsequent einhält. So achtet sie sorgsam darauf, keine Spuren, keinen Abfall zu hinterlassen, nichts zu verändern, nichts mitzunehmen oder gar zu beschädigen. Eine weitere, mir durchaus ratsam scheinende Regel ist, dass man solche Orte niemals allein aufsuchen sollte, sondern immer zu zweit oder besser zu dritt sein sollte. Warum, das kann man leicht nachvollziehen. Die Gefahr, sich zu verletzten oder schlimmeres, ist an und in so verfallenen Gebäuden sicher immens.
Umso mehr sind wir den mutigen und inspirierten Fotografinnen und Fotografen dankbar für ihre gelungenen Fotos von den „Lost Places.“
Jasmin Seidel – Lost Places am Bodensee
gmeiner, August 2022
Gebundene Ausgabe, 191 Seiten, 26,00 €