Jeder Handwerker hat seinen Werkzeugkasten und je erfahrener der Handwerker, desto sorgfältiger ist das Werkzeug ausgewählt und desto geschickter kann er damit umgehen. Doch ohne Werkzeug kann auch der beste Handwerker nicht arbeiten.
Und so, wie jeder Handwerker den Umgang mit seinen Werkzeugen erst lernen, die Handhabung üben muss und wie er durch den täglichen Gebrauch weiß, welches Werkzeug er in welcher Situation ergreifen muss, so lernen auch Schreibende ihr Werkzeug durch Übung immer besser zu beherrschen und anzuwenden.
Roy Peter Clark, der mehr als ein Dutzend Bücher zum Thema Schreiben verfasst hat und an einer der renommiertesten Journalistenschulen arbeitet, hat sich im vorliegenden Buch auf 50 nützliche, um nicht zu sagen unverzichtbare Werkzeuge beschränkt. Das unterscheidet seinen Ratgeber von vielen anderen Büchern über das Kreative Schreiben: er stellt keine Regeln auf, er befasst sich nicht mit den Grundsätzen des Schreibens, er geht ins Detail, er stellt die Hilfsmittel vor, derer wir uns beim Schreiben bedienen können, ja sollten.
Das Buch ist in 4 Teile gegliedert: Teil 1 beschäftigt sich mit dem „A und O“, also ganz einfach mit den Grundlagen, ohne die wir nicht schreiben. Das erste Kapitel beginnt daher mit der simplen Aussage, dass ein Satz aus Subjekt, Prädikat und Objekt besteht. Natürlich schüttelt man da erstmal den Kopf und wundert sich, aber die Herangehensweise ist schlüssig. Denn was tun wir anderes, als Sätze zu schreiben, als einen Satz an den nächsten zu hängen.
Weiter geht es in diesem ersten Teil mit dem Thema Adverbien, mit dem Vorteil von aktiven Sätzen gegenüber passiven, und sogar mit der Zeichensetzung. Setzen wir einen Punkt dahin, wo er hingehört. Schreiben wir keine Bandwurmsätze und wenn, dann teilen wir sie in sinnvolle Abschnitte mit der Hilfe des Kommas. Ja, es sind tatsächlich solche simplen „Werkzeuge“, die Roy Peter Clark seinen Leser:innen hier an die Hand gibt. Aber es macht Sinn, sich diese Dinge beim Schreiben von Romanen oder Erzählungen, von journalistischen Texten oder Essays etc., immer wieder vor Augen zu führen. Man vergisst das nämlich immer wieder, und gute Schriftsteller:innen sind nicht zu stolz, solche Ratschläge, Tipps und Hilfen anzunehmen.
Im zweiten Teil geht es um „Spezialeffekte“. Mir hat dieser Teil am besten gefallen, ist er doch ganz nah dran an unserem täglichen Schreiben. Die Werkzeuge, die hier besprochen werden, sind Metaphern, sind gute Namen für die Protas, sind originelle Bilder, sind alle Stilmittel, die helfen, abgenutzte Klischees, Floskeln und Phrasen zu vermeiden.
Besonders interessant fand ich in diesem Teil das Kapitel über die „Zahl der Elemente“. Welche Botschaft wollen wir mit unserem Satz übermitteln, und wenn ja, wie viele? Wenn wir eine Information senden, welche soll es sein und wie soll sie lauten? Und soll sie ergänzt werden um eine weitere oder gar um zwei oder drei? Die Erkenntnis aus diesem Kapitel, die wohl viele von uns intuitiv umsetzen, ohne zu wissen, warum, lautet: Drei ist größer als Vier. Gebe ich – und das Buch erläutert all das mit passenden, praktischen Beispielen – einer Person drei Eigenschaften, dann kreiere ich ein harmonisches Ganzes, füge ich eine vierte hinzu, durchbreche ich diese Harmonie, störe den Kreis. Und wer sich nun selbst prüft, wird sicher feststellen, dass wir oft genau drei Worte verwenden, wenn wir etwas oder eine Figur in unseren Texten prägnant beschreiben möchten.
Der dritte Teil befasst sich mit „Plänen“. Das heißt nicht, dass es nun um die immer gleiche Frage geht: plotten oder pantsen. Sondern der Autor macht deutlich, wie wichtig es ist, zu wissen, wohin man will. Die Figuren zu kennen, um sie mit Hilfe der Szenen, mittels Dialogen darzustellen, den Leser:innen nahezubringen. Und natürlich spart auch Roy Peter Clark die berühmten Cliffhanger nicht aus, erwähnt die Hinweise und Andeutungen, die man einstreuen soll, um Spannung zu erzeugen.
Überhaupt beschäftigt er sich hier auch mit den Figuren, erklärt den Unterschied zwischen Archetypen und Stereotypen, wobei wir alle wissen, dass wir letztere dringend vermeiden sollen.
Und der letzte, vierte Teil schließlich spart auch die weiteren Aspekte des Schreibens nicht aus, die Gewohnheit, die sich einstellen soll, das Vermeiden der berühmten Aufschieberitis, die Recherche und vieles mehr. So ist auch dieser Autor davon überzeugt, dass das Schreiben in einer Gruppe Gleichgesinnter sehr hilfreich und motivierend sein kann.
Mein Fazit: Wie immer gibt es auch in diesem Buch keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse, alles wurde so oder ähnlich schon von anderen gesagt oder geschrieben. Mir hat aber diese komprimierte, fast an ein Nachschlagewerk erinnernde Form sehr zugesagt. Die einzelnen Kapitel sind von überschaubarer Länge, wer also schnell einmal etwas nach- oder wiederlesen möchte, ist hier mit Sicherheit gut aufgehoben. Sehr erfahrene Autor:innen mögen dieser Hilfestellung vielleicht nicht mehr bedürfen, ohne diese Werkzeuge werden aber auch sie ihr Handwerk nicht ausüben können.
Roy Peter Clark – Die 50 Werkzeuge für gutes Schreiben
Deutsch von Kerstin Winter
Autorenhaus Verlag, 2014
Gebundene Ausgabe, 350 Seiten, 22,99 €