Eine meisterhaft erzählte, geschickt Stimmungen erzeugende Geschichte mit einem, wie wir heute wissen, gar nicht mehr so unwahrscheinlichen Ausgangsszenario. Dazu ein zwischen Genie und Irrsinn schwankender Protagonist, der wiederum zwischen absurden und scheinbar folgerichtigen Aktionen schwankt. Und eine zweite, fast ebenso verstörte und verstörende Protagonistin.
Eines Nachts entdeckt der namenlose Protagonist, dass das Haus, in dem er ein Zimmer bewohnt, von Wasser umschlossen ist, dass das Wasser bereits in das Haus eingedrungen ist. Nach dem ersten Schock beginnt er eine nächtliche Wanderung durch die überflutete Stadt, betritt Wohnungen, Läden, begegnet dabei keiner Menschenseele. Die Fluten dringen in alle Gebäude, überschwemmen Plätze und Straßen, zerstören Häuser und Existenzen. Er handelt völlig planlos, dabei im Leben der aus den Wohnungen Geflohenen stöbernd, ihre Lebensgeschichten sich ausdenkend. Und auf sein eigenes Leben als Teppichhändler zurückblickend.
Dann trifft er doch einen anderen Menschen, eine Frau, die er kennt. Eine Vertreterin, die schon einmal seinen Laden betreten hatte. Sie treibt auf einem steuerbaren Floß dahin, auch sie planlos, ohne zu wissen, was geschehen ist, was geschehen wird. Er geht zu ihr auf das Floß und so treiben sie schließlich gemeinsam durch die Stadt und aus ihr hinaus.
Mit welchen Sätzen, welchen Bildern Simons Schwarz dieses Geschehen erzählt, wie prägnant und präzise er diese apokalyptische Szenerie beschreibt und sie dadurch fühlbar und erlebbar macht, das ist beeindruckend, ja geradezu genial. Es gibt wenig Dialog, wenig „Action“, dafür viel Philosophie, viel Selbstreflexion der beiden Figuren. Dennoch ist diese Novelle auch spannend, sind die Figuren berührend, sympathisch, wecken Empathie. So dass man am Ende gerne wüsste, wie es mit den beiden sonderbaren und doch wunderbaren Menschen weitergeht.
Simon Strauss – Zu zweit
Tropen, Januar 2023
Gebundene Ausgabe, 156 Seiten, 22,00 €