Romane um Krankheit gehen immer zu Herzen, berühren die Leserinnen. Wenn die Krebserkrankung zusätzlich noch einen jungen Mann trifft, der gerade am Beginn seines Erwachsenenlebens steht, erschüttert es umso mehr.
Der Debütroman des jungen deutschen Autors Stefan Hornbach, der bereits mit Theaterstücken Furore gemacht und Preise eingesammelt hat, dreht sich genau darum.
Sebastian, Student in Gießen und etwas verpeilt, behütet von lieben Freundinnen, homosexuell und voller Pläne für sein Leben, erkrankt an Krebs. Die Tumore, denen er Namen gibt und die er wie Kinder adoptiert, fressen sich an mehreren Stellen in seinen Körper, seine Organe. Der junge Mann ist mit der Diagnose, mit den Behandlungsplänen und den vielen Arztgesprächen zuerst völlig überfordert. Er kehrt zurück nach Hause in sein Elternhaus in Mutterstadt bei Ludwigshafen.
Seine Eltern sind herrlich unkomplizierte Menschen, die ohne Wehleidigkeit, ohne sich der Verzweiflung hinzugeben, an seiner Seite stehen. Seine Mutter begleitet ihn zu jeder Untersuchung, zu jeder Sitzung der Chemotherapie. „Sie waren die tapfersten Eltern. Mama weinte nicht mehr so oft, und wenn, dann aus Erleichterung, das redete ich mir zumindest ein. Papa weinte nicht – oder so, dass es keiner bemerkte. Manchmal bekam er einen knallroten Kopf, meistens ging er damit vor die Tür. Nie habe ich ihn erwischt, weder beim Schreien noch beim Weinen im Wald.“ (S. 231)
Auch seine Oma, die ihn fest umarmt und meint: „Was für ein Scheiß‘!“ verliert nicht den Mut und gibt viel von diesem Mut an Sebastian weiter. Und da ist noch der Hund, der eigentlich eine Hündin ist, alt, müde, aber voller Liebe an Sebastian hängend.
Mit schnoddriger Ernsthaftigkeit, lakonisch, voller Galgenhumor ist diese Geschichte erzählt. Sebastian stellt sich allen Therapien ohne Widerworte, nur manchmal büxt er aus, trifft sich in Gießen mit einem Jungen, für den er tiefere Gefühle entwickelt, die dieser bedingt erwidert. Seine Freundin aus Kindertagen lockt ihn zu esoterischen Sitzungen, kämpft mehr als er selbst mit ihren Gefühlen. Eine andere Freundin schickt ihm Grüße aus der Welt, wo immer sie gerade unterwegs ist. Es sind wunderbar normale Menschen, normale Beziehungen, die Stefan Hornbach beschreibt. Und trotz oder vielleicht gerade wegen der trockenen Erzählweise geht die Handlung der Leserin umso mehr an die Nieren, auch weil der Protagonist so unglaublich sympathisch ist.
Dabei hadert er sehr mit diesem aufgezwungenen Schicksal. „Der erste Schock hatte bereits nachgelassen, langsam wich er einem diffusen Groll. Je mehr ich die neue Information zu realisieren schien, desto ernüchterter war ich. Ich fühlte mich verraten (…) Als wäre mein Leben, das ich bis dahin als selbstverständlich angenommen hatte, ein einziges riesiges Missverständnis. Eine Simulation, ein Trugbild von einer Sicherheit …“ (S. 35)
Er kämpft, doch es ist ein harter, verzweifelter Kampf. „Wieder biss ich die Zähne aufeinander, biss mir auf die Zunge, auf die Lippen, grub die Fingernägel in meine Handflächen. Ich musste mich zusammenreißen, ich versuchte es, doch in Gedanken riss ich mich mittig auseinander. In zwei Hälften, in immer kleinere Fetzen.“ (S 83). Solche Sätze sind es, bei denen man eine Gänsehaut bekommt, die sich ins Gedächtnis prägen.
Der Roman ist etwas Besonderes, wegen seiner Sprache, seiner Geschichte, seiner Figuren.
Stefan Hornbach – Den Hund überleben
Hanser, Juli 2021
Gebundene Ausgabe, 287 Seiten, 22,00 €