Schmonzette im Courths- Mahler Stil
Die Autorin leitet eine Schule für kreatives Schreiben in Berlin, hat selbst dieses Fach in Hildesheim studiert. Sie hat einige erotische Romane veröffentlich und der vorliegende Roman ist der zweite, der sich eines historischen Themas annimmt.
Im Mittelpunkt steht die junge Ruth, in den letzten Kriegstagen mit Eltern und Geschwistern aus Breslau geflohen, lebt sie nun in Freiburg. Sie trauert um den Verlust der Heimat und vermisst ihre große Liebe Ilan, der in Breslau zurückblieb. Ihre Schwester Gilli ist aus ganz anderem Holz geschnitzt, sie weiß, was sie will und sucht sich ihren Weg, stolz erhobenen Hauptes. Der Bruder Jo hingegen hadert mit der deutschen Vergangenheit, kann nicht akzeptieren, dass die Deutschen jetzt, in den fünfziger Jahren, ihre Nazigeschichte vergessen und neu anfangen möchten. Er beharrt auch darauf, dass seine Familie jüdisch sei, obwohl die Eltern das stets vehement bestreiten.
Ruth heiratet, bekommt Kinder, sehnt sich aber stets zurück in die Vergangenheit, nach Breslau, nach Ilan. All das ist in unerträglich schwülstiger, kitschiger und rührseliger Weise erzählt, eben ganz im Stil einer Hedwig Courths-Mahler oder einer Eugenie Marlitt. Zwar passt dieser Schreibstil im Grunde perfekt zur Erzählzeit, aber heute möchte man so nicht mehr lesen. Diese Geschichte hätte sich auch anders, moderner und weniger schmonzettenhaft und vor allem spannender erzählen lassen.
Die Figuren sind hölzern, leblos, wecken keine Sympathie und keine Empathie. Im Gegenteil, das ständige Klagen und Jammern nervt irgendwann.
Es passiert sehr selten, aber dieses Buch habe ich tatsächlich nicht zu Ende gelesen. Schade, denn die Autorin erklärt im Nachwort, dass die Geschichte Ruths mehr oder weniger die Geschichte ihrer eigenen Großmutter ist. So wäre es ein Zeitdokument, wäre es nur in ansprechenderem, weniger altmodischen Stil geschrieben.
Tanja Steinlechner – Das Leben, das uns bleibt: Die Goldschmiedin
Lübbe, Juni 2023
Taschenbuch, 414 Seiten, 16,00 €