Ein Roman mit allen Zutaten für eine herzerwärmende Geschichte. Aber genau das ist in meinen Augen auch das – zugegeben kleine – Manko an dem unterhaltsamen Buch der deutschen Autorin, die bereits unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht hat. Denn es sind eben leider alles sehr bekannte Zutaten.
Der Plot wird aus zwei Sichten erzählt, die eine ist Elli, genannt Elvis, eine ältere obdachlose Frau, die regelmäßig auf einer Bank im Park sitzt und die gut betuchten Bewohner eines Villenviertels beobachtet. Die zweite Perspektive ist Lisa, eine dieser Bewohnerinnen, Ehefrau vom technikbesessenen Mark und Mutter dreier mehr oder weniger anstrengender Sprösslinge.
Und vor allem die Kinder sind es, die als wandelnde Klischees auftreten: die kleine, zutrauliche Leonie, die für den Oma-Tag in der Schule eine Ersatzoma braucht, der 12-jährige Ruben, der von anderen Schülern gemobbt wird und die 15 Jahre alte, unglücklich verliebte Fiona. Lisa ist eine sehr sympathische, ständig von Terminen und Verpflichtungen gehetzte junge Frau, die für ein Lifestyle-Magazin Artikel schreiben soll. Während Mark ständig das ganze Haus mit Computertechnik ausrüstet, die nicht immer so funktioniert, wie sie soll und damit Lisa in die Verzweiflung treibt. Dieser Running Gag sorgt für ein gerüttelt Maß an Humor in diesem flott geschriebenen Roman.
Dem gegenüber ist Elli eher eine tragische Figur. In Rückblenden erfährt man ihre Geschichte, warum sie in die Obdachlosigkeit abrutschte und warum sie keinen Kontakt zu ihrer inzwischen erwachsenen Tochter hat. Elli ist eine sehr mitfühlende, stets hilfsbereite Frau, die ihren Schicksalsgenossen, wo nötig und in ihr möglichem Rahmen hilft, andererseits aber deren Situation ebenso wie ihre eigene sehr realistisch einschätzt.
Als Elli im Park nach und nach die drei Kinder kennenlernt, folgt nun eine wirklich sehr vorhersehbare Geschichte. Denn natürlich hat Elli eine Lösung für alle Probleme und am Ende findet sich auch noch eine für ihre eigenen. Diese sehr kitschige Happy End ist dann doch zu rührselig, zu himmelblau und zu unrealistisch. Was schade ist, denn gerade die Schilderungen des Alltags der Obdachlosen, der Zustände in den Notunterkünften und die Reaktionen ihrer Umwelt auf diese vom Schicksal Gebeutelten sind sehr realistisch, nah am Leben, führen der Leserin diese Dinge schmerzhaft vor Augen. Dem gegenüber ist die Bilderbuchfamilie dann leider zu sehr Klischee, zu sehr heile Rama-Welt.
Auch die Nebenfiguren, Lisas Freundinnen, die Jungs, die Ruben bedrängen und Fionas Love Interest sind Abziehbilder, wie man sie in jeder seichten Komödie findet.
Der Titel des Buchs übrigens ist in meinen Augen ein ziemlicher Fehlgriff, denn erstens klingt er nach Liebesgeschichte und zweitens gibt es keinen ersichtlichen Bezug zur Handlung.
Mein Fazit: ein unterhaltsamer, stilistisch durchaus gelungener, flüssig geschriebener Roman mit einem einfach gestrickten Plot und allzu bekanntem Personal.
Ulrike Herwig – Das Glück am Ende der Straße
dtv premium, Juni 2021
Taschenbuch, 256 Seiten, 15,90 €